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Handbuch Kunst-Unternehmens-Kooperationen //

Kunst und Wirtschaft sind scheinbar gegensätzliche Welten. Dennoch oder gerade deshalb versuchen immer mehr Unternehmen, betrieblichen und marktlichen Herausforderungen mit Hilfe von Kunst zu begegnen. Dieses Handbuch zeigt, wie Künstlerinnen und Künstler Marken, Produkte und unternehmerische Kommunikation prägen, wie sie in das Personalmanagement

Handbuch Kunst-Unternehmens-Kooperationen

 „Künstler sind keine guten Organisatoren. Sie hassen Bürokratie, Sitzungen und Versammlungen. Sie finden das langweilig. Es fehlt ihnen auch die nötige Geduld, ein dauerhaftes Verteidigungssystem aufzubauen“ (Haacke/Bordieu 1995, S. 20). Was Hans Haacke ebenso treffend wie verallgemeinernd über die Einstellung der Künstler behauptet, kann sicherlich nicht für jeden Künstler gelten. Nach einem aufreibenden, 23 Jahre dauernden politischen Prozess gelang es Christo und Jean-Claude, 1995 den Reichstag zu verhüllen. Künstler sind eben nicht nur Selbstvermarkter – das waren sie schon in der Renaissance – sondern Initiatoren von Projekten. Und auch wenn die Künstler Bürokratie langweilig finden, so gelingen ihnen im Widerstreit mit Bürokratie, erstaunliche Projekte, meist im Team mit einer Technischen Leitung als Projektleiter. Der lediglich konservatorische Blickwinkel eines Projektmanagements als erweitertes Art Handling oder einer nachgeordneten, technisch-operativen Abteilung im Museumsmanagement mit dem Ziel eines möglichst beschädigungsfreien und langfristig erhaltenden Umgangs mit Kunst kann somit nicht mehr allein geltend gemacht werden. Wenn die Werke selbst erst vor Ort gebaut, angepasst und vollendet werden, wenn das Werk im Dialog mit lokalen Akteuren entsteht, wenn das Werk über unterschiedliche Kan?le und Medien transportiert, vermittelt, ja vielleicht erst realisiert wird, dann verlangen Kunst-Unternehmens-Kooperationen (KUKs) ein Projektmanagement, das befähigt komplexe Entscheidungsprozesse zu planen und zu steuern.

 

In der „Kunst des Handelns“ beschreibt De Certeau Kreativität als Antidisziplin, die Ordnung als Disziplin (De Certeau 1988, S. 13 ff.). Er nennt hierbei kreative Praktiken im Alltag, die sich gegen die Mechanismen der Disziplinierung durch Ordnung richten, also Gepflogenhei-ten, sie sich im Inneren von technokratischen Strukturen verbreiten und deren Funktionsweise unterlaufen.  In diesem Sinne müsste ein Projektmanagement künstlerischer Prozesse die Differenz zwischen Kreativität und Organisation zu überwinden versuchen, um trotz der Unterschiede fruchtbare KUKs zu ermöglichen. Eine derartige Anforderung kann ein Projekt-management nur überfordern. Eine derartige Opposition zwischen Kreativität und Ordnung beruht auf Bildern von Wirtschaft und Kunst, die auf ein spezifisches Verständnis Kunst und Kreativität beruhen (Richter/Maier 2011, S. 291). Wenn wir uns damit von der Lust an der Differenz der 1980er Jahre bei De Certeau trennen, dann schließen sich Kreativität und Organisation gar nicht aus, sondern kommunizieren miteinander, beeinflussen sich, ergänzen sich. Organisation und Kreativität sind eigenständige Disziplinen, die sich in einer vergleichbaren Struktur eines unterschiedlichen Sprachschatzes bedienen. „Sowohl im Bereich der Kreativität als auch im Bereich der Organisation wird mit Repräsentationen gearbeitet. Die Einen hantieren mit Geschäftsmodellen, Organigrammen, Tabellen und Zahlen. Die Anderen produzieren Romane, Bilder und Klänge und arbeiten mit Noten. ... Management ist also, wie die Kreativität, ein Vorgang, bei dem Komposition und Repräsenta-tion eine wichtige Rolle spielen“ (Richter/Maier 2011, S. 296 f.). Projektmanagement ist somit kaum als Brücke zwischen einem gegensätzlichen Paar zu verstehen, sondern als Übersetzer künstlerischer Repräsentationen in organisationale Sprache und umgekehrt. Restriktionen müssen dem Künstler vermittelt werden, auch ungewöhnliche Ideen müssen Gesprächspartnern erläutert werden, die wenige oder gar keine Vorkenntnisse zur Kunst besitzen.  Diese Übersetzungsfunktion kann Projektmanagement im besonderen Maße leisten, da die Lösung von Transferaufgaben mit den damit verbundenen Ungewissheiten essenzieller Bestandteil der Projektarbeit ist (Peters 2012, S. 163).

Die Ausrichtung an Schnittstellen und somit ein Denken in Projektnetzwerken, also temporären und zweckgebundenen Kooperationen, die sich an klaren Zielvorgaben und der gemeinsamen Bearbeitung von definierten Aufgaben orientieren, bildet eine Grundlage für das Projektmanagement komplexer Aufgaben (Paul/Sakschewski 2011, S. 207). Diese Kommunikationsaufgaben werden in der Projektorganisation durch Ergebnisorientierung, Interdisziplinarität und Befristung ergänzt. Projektorganisationen unterstützen daher im besonderen Maße kreative Prozesse in Unternehmen (Staber 2004, S. 30).
„Die typische Kombination aus interdisziplinären, visionär-schaffenden, planerisch-struktu-rierenden und interaktiven Aufgabenstellungen eines Kulturprojekts setzt ein vielseitiges Kompetenzprofil voraus.“ (Bemmé 2011, S. 30) Hierbei spielt die kommunikative Kom-petenz in heterogenen Strukturen und ambiguen Situationen eine besondere Rolle. Das Projektmanagement von KUKs verlangt die Fähigkeit in den einzelnen Projektphasen fachliche Inhalte unter Berücksichtigung sozialer Komponenten zu verstehen und diese zum Teil komplexen Inhalte mit mehrdeutigen Bezügen unterschiedlichen Kommu-nikationspartnern glaubhaft und authentisch zu vermitteln. In der Initialisierungsphase gilt es, die technischen, infrastrukturellen und finanziellen Vorgaben des Auftraggebers zu bewerten sowie die Ideen und Konzepte des Künstlers fachlich und methodisch zu erfassen. In der Definitionsphase müssen diese unterschiedlichen Repräsentationsmodelle zusammengefasst und für eine Vielzahl von Schnittstellen wie technischen Dienstleistern, dem Projektteam und Abteilungen und Bereichen innerhalb des Unternehmens wie dem Controlling oder den Fachabteilungen aufbereitet werden. In der Planungsphase müssen im Dialog zwischen Kunst und Technik Lösungsmodelle mit dem Künstler und dem Team entwickelt werden, die in der Steuerungsphase gegenüber allen Partnern vertreten werden müssen.


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